Kunst im Dialog: Bergwelten und Kulturpfade von Krakau nach Kyoto – Ein Weihnachtsinterview mit Beata Zuba

Autor: Maria Jajte

17. Dezember 2023

Sie schreibt enthusiastisch über polnische Kultur und Kunst und andere Themen

Inmitten der festlichen Jahreszeit öffnet sich das Tor zu einer faszinierenden Reise durch die kulturellen Verflechtungen von Japan und Polen. Als Geschenk an unsere geschätzten Kunden präsentiert das Reisebüro Polenreisen ein exklusives Interview mit der renommierten Künstlerin Beata Zuba. Dieses außergewöhnliche Gespräch entführt uns in die Tiefen des Krakauer Manggha-Museums, einem einzigartigen Ort, der die Symbiose zwischen der Kunst Japans und der polnischen Kultur zelebriert.
In den folgenden Zeilen werden wir eintauchen in die reiche Historie dieses Museums, welches nicht nur ein Bewahrer der japanischen Kunst und Technologie ist, sondern auch als pulsierendes Kulturzentrum dient. Beata Zuba, eine Protagonistin dieses faszinierenden Dialogs, gewährt uns Einblicke in ihre Erfahrungen als Künstlerin und ihre Verbindung zu den Bergen – einem Thema, das nicht nur ihre Werke prägt, sondern auch eine tiefe emotionale Resonanz in beiden Kulturen hervorruft.
Mit einem Hauch von Weihnachtszauber tauchen wir ein in diese spannende Unterhaltung, die nicht nur die kunstvollen Facetten von Japan und Polen beleuchtet, sondern auch die universalen Emotionen, die durch Beatas einzigartige Bergbilder geweckt werden. In diesem Interview spiegelt sich die Schönheit der kulturellen Vielfalt wider, die wir in den Bergen der Kunst und in den Wegen der Erinnerung finden – ein Geschenk, das uns dazu einlädt, gemeinsam auf eine künstlerische Reise zu gehen.

Bergdurchdringung – eine Ausstellung im Krakauer Manggha-Museum

Wir treffen uns heute mit Frau Beata Zuba, einer polnischen Künstlerin, deren Ausstellung bis vor Kurzem im Krakauer Manggha Museum zu sehen war.
Wir werden nicht nur über ihr Werk und ihre Ausstellung Przenikanie Góry sprechen (Bergdurchdringung -Permeating the Mountain), sondern auch über den Ausstellungsort, das Manggha-Museum für japanische Kunst und Technologie. Außerdem wollen wir uns ernsten und weniger ernsten Fragen widmen.
Guten Tag!

Guten Tag Frau Jajte, schön Sie zu sehen!

Das Manggha: Einzigartiges Museum für japanische Kunst und Technologie

Frau Zuba, erzählen Sie uns bitte, was das Krakauer Manggha ist? Wie ist es für Sie, dort auszustellen?

Das Manggha ist in erster Linie das Museum für japanische Kunst und Technologie und – man muss betonen – die einzige Kultureinrichtung dieser Art in Polen. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 hat es sowohl als Museum, als auch als Kulturzentrum fungiert. Es fördert das Wissen über Japan und den Fernen Osten. In dem modernen Gebäude, das von Arata Isozaki entworfen wurde, befinden sich zahlreiche Ausstellungs- und Konferenzräume. Neben der Dauerausstellung werden auch Wechselausstellungen zur japanischen Kunst, Kultur und Technologie gezeigt.

Das Manggha bietet zahlreiche Kurse an, darunter Teezeremonie, Blumenbinden und die japanische Sprache. Hier kann man nicht nur etwas über die traditionelle Kunst, sondern auch über japanische und fern östliche Musik, Theater, Film, Literatur, Philosophie und Religionen lernen. Es werden Forschungen über die kulturellen Beziehungen zwischen Polen und Japan durchgeführt, außerdem beherbergt das Museum den polnischen Bonsai-Club. Es ist auch, im wahrsten Sinne des Wortes, ein außergewöhnliches Kulturzentrum.

Für mich ist es eine außergewöhnliche Anerkennung und große Ehre, dass ich zu dem Projekt Bergdurchdringung eingeladen worden bin. Hier konnte ich ausstellen, hier konnten ich und meine Kunst in Erscheinung treten.
Aber vielleicht sage ich zuerst ein wenig über die Architektur und die Geschichte des Mangghas selbst und dann ein wenig über mich und meine Arbeit…

Andrzej Wajda und die Manggha-Sammlung: eine kulturelle Brücke zwischen Polen und Japan

Und was hat das Manggha-Museum mit Feliks Jasieński und dem berühmten polnischen Regisseur Andrzej Wajda, sowie mit Arata Isozaki zu tun?

Feliks Jasieński, auch bekannt als „Manggha“, war ein polnischer Aristokrat und Sammler japanischer Kunst und stellte 1920 dem Nationalmuseum in Krakau seine riesige Sammlung als Leihgabe zur Verfügung.
Ein großer und berühmter Teil davon befindet sich in Krakau. Bitte beachten Sie, dass Jasińskis Sammlung über 12.000 Objekte umfasst. Ihr genaues Ausmaß müsste jedoch am Nationalmuseums in Krakau überprüft werden.

Jasieński wurde dann ehrenamtlicher Leiter der Sammlung, aber seine Schätze ruhten viele Jahre lang in Kartons.
Während der Besatzungszeit* wurde in den Tuchhallen eine Ausstellung aus der Sammlung von Feliks Manggha Jasieński vorbereitet.
Wir wissen, dass der damals 18-jährige junge Andrzej Wajda, der davon träumte, Maler zu werden, von der Sammlung begeistert war. So entstand eine lebenslange Beziehung zwischen dem polnischen Regisseur und einer Kultur, die sich sehr von der unseren unterscheidet.

Obwohl, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Gemeinsamkeiten sehe ich zwischen unseren Kulturen.
1987 erhielt Andrzej Wajda den Kyoto-Preis der Inamori-Stiftung. Damals beschloss er, die Summe für den Bau eines Museums für japanische Kunst in Krakau zu spenden, in dem die Sammlung von Feliks Jasieński ausgestellt werden sollte.

Wellen der Weichsel: Das Manggha Museum ein architektonisches Meisterwerk von Arata Isozaki

Es ist bekannt, dass das Bauprojekt sowohl von der japanischen Regierung als auch von der Kyoto-Krakau-Stiftung unterstützt wurde. Die Kyoto-Krakau-Stiftung wurde von Herrn und Frau Wajda selbst gegründet, um das Manggha zu errichten.
Auch die japanische Eisenbahnergewerkschaft spendete eine Million Dollar. Der Entwurf wurde unentgeltlich von dem bereits erwähnten japanischen Architekten Arata Isozaki angefertigt.
Das Manggha-Museum wurde am 30. November 1994 feierlich eröffnet.

Scherzhaft weise ich oft darauf hin, dass das gewellte Dach des Manggha-Museums für japanische Kunst und Technologie an die Wellen der Weichsel erinnern soll, die zu seinen Füßen entlangfließt.
Das Gebäude verblüfft durch seine Architektur. Es ist originell, hat eine moderne Form und wurde von dem japanischen Architekten Arata Izosaki geschaffen.
Den Anstoß zum „Manggha“ gab der berühmte polnische Filmregisseur, den Sie erwähnt haben, Andrzej Wajda.
Trotz seines Alters sieht das Gebäude immer noch außergewöhnlich modern aus. Umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass das Museum bereits Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zu seinem 30-Jährigen Jubiläum trifft.

Mehr als ein Museum: Das Manggha als lebendiges Kulturzentrum

Im Jahr 2018 besuchte ich zusammen mit meiner Geschäftspartnerin Magda Tejwan-Bopp, Frau Iwona Haberny von der Agentur Oko und zwei Japanerinnen, Frau Yoko Schöller und Frau Emi Iwamoto das Manggha Museum. Damals organisierten wir die Konzertreihe „Requiem – Gebet für den Frieden“ für den fast 140-köpfigen japanischen Chor von Maestro Susumu Ueda.
Wir trafen sowohl die damalige Direktorin, Frau Bogna Dziechciaruk-Maj, als auch die derzeitige Direktorin, Frau Katarzyna Nowak. Wir bewunderten das Museum und seine Sammlungen und bekamen ein paar Anekdoten erzählt. Ich erinnere mich noch gut an die Geschichte über den Bau des Gebäudes und wie die polnischen Hochlandbewohner das Welldach in ihrer traditionellen Baukultur errichteten.
Neue verrückte architektonische Ideen bedeuten neue kühne Herausforderungen!
So viel zum Beitrag der Hochlandbewohner (Gorale) zum Bau des Museumsdachs, aber Spaß beiseite. Was macht die Sammlung aus?

Die riesige Sammlung japanischer Kunst umfasst mehr als 12.000 Objekte. Allein mehr als 5.000 Holzschnitte, unter anderem ein großer Teil der Holzschnitte der größten japanischen Künstler des 17. bis 19. Jahrhunderts, darunter Suzuki Harunobu, der als „Vater des japanischen Holzschnitts“ bekannt ist, sowie die berühmten Künstler Kitagawa Utamaro, Ichiryūsai Hiroshige und Hokusai Katsushika /Hokusai, mit seinen wichtigen Ansichten des Bergs Fuji. Auch interessant sind die japanischen militärischen Sammlerstücke. Dekorative Schwerter und Schilde, Samurai-Rüstungen, samt Helmen und Masken. Auch außergewöhnliche Handwerkskunst wie Laka-Objekte wie Schatullen, Schmuckkästchen, kleine Schalen und Miniaturmöbel sind zu sehen. Das Manggha ist nicht nur ein Museum, sondern auch ein aktives Kulturzentrum. Es bietet Veranstaltungen und Aktivitäten an, um das Bewusstsein für Japan, seine Kultur, Kunst und Bräuche zu schärfen. Ich fühle mich geehrt, dass meine Arbeiten hier ausgestellt wurden!

Blick auf die Berge: Die Faszination in der japanischen und polnischen Kultur

Frau Zuba, in Vorbereitung auf unser Gespräch, habe ich viel nachgedacht und gelesen – über Berge, über Sie, über Polen, über Japan, über Bergbewohner in unterschiedlichen Breiten und über Menschen, die scheinbar mit denen in niedrigeren Breitengraden oder am Meer wenig gemeinsam haben.
Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber ich habe gehört, dass Sie eine begeisterte Skifahrerin sind. Vor allem sind Sie aber eine Malerin, eine Künstlerin, in deren Werk das Thema der Berge allgegenwärtig ist, und das wahrscheinlich schon vor dem „Yama no hi“ – dem Fest der Berge – das in Japan seit 2016 am 11. August gefeiert wird. Berge lassen demütig werden. Sie strahlen Bedrohlichkeit aus, wecken Begeisterung, Berge geben und nehmen Leben. Sie geben Hoffnung mit dem Wechsel der Jahreszeiten und vielleicht ist hoch oben auf dem Fuji (3776 m über dem Meeresspiegel), auf dem kaukasischen Elbrus (5642 m über dem Meeresspiegel) immer nur Winter. Die Natur nimmt uns die Chance, auf eine bessere Zeit zu hoffen? Mit welcher Begründung gibt es diesen Feiertag in Japan? Irgendwie kann ich mir so einen besonderen Tag in Europa nicht vorstellen. Liegt es daran, dass unser Rysy Gebirge zu niedrig ist?

Die Schöpfer dieses Feiertags begründen ihn damit, dass er den Japanern die Möglichkeit geben soll, sich den Bergen zu nähern und ihnen für den Segen zu danken, den sie ihnen gegeben haben.
In der japanischen Tradition nehmen Berge aufgrund ihres spirituellen und religiösen Charakters einen besonderen Platz ein und werden oft als Orte der Anbetung verehrt.

Es sollte uns in Polen nicht überraschen, da die Landfläche Japans zu mehr als siebzig Prozent aus Bergen besteht und der höchste Berg Japans, der Fuji, einer der bekanntesten Berge der Welt ist.
Im Manggha-Museum war dieses Jahr ein besonderes, denn fast alle Ausstellungen waren den Bergen gewidmet. Die ersten beiden, die bereits im Mai begonnen haben, sind aus der japanischen Sammlung von Feliks Manggha Jasieński. Der Fuji und andere Berge sowie das Tatra-Gebirge. Wróblewski, Karłowicz, Wyczółkowski. Den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildeten die Begegnungen mit den Bergen, die an dem, von Ihnen erwähnten, Fest der Berge begannen. Am 11. August fanden die Vernissagen von zwei Ausstellungen statt: meine Einzelausstellung Bergdurchdringung und die Ausstellung Tatsuno Art Project: Berg -Mountain.
Und am 12. August wurde auf dem Krakauer Kościuszko Hügel zum ersten Mal in seiner 200-jährigen Geschichte eine Flagge gehisst, auf der ein Berg abgebildet war. Das ist ein sehr interessantes künstlerisches Konzept.

Der Kościuszko Hügel als Berg Fuji: Künstlerische und symbolische Assoziationen

Könnten Sie uns ein wenig mehr über die Flagge auf dem Kościuszko Hügel erzählen? Wie sind Sie auf die Idee gekommen, solch einen künstlerischen Weg einzuschlagen?

Ich bin ein Salwator**-Mädchen, hier bin ich aufgewachsen und hier ist mein Herz geblieben, das unaufhörlich unter dem Kościuszko Hügel schlägt. Und der Hügel ist mein erster Berg. So ist es, und so war es immer, seit ich mich erinnern kann. Hier ist meine Mutter mit mir spazieren gegangen, als ich noch im Kinderwagen lag. Später habe ich den Kinderwagen mit meinem Sohn mühsam hochgeschoben, wenn er im Winter nicht schlafen wollte, damit er auf der holprigen, verschneiten Straße endlich einschlief und ich endlich zur Ruhe kommen konnte. Hier habe ich am Dworskie Pole meine ersten Skiversuche unternommen, um viele Jahre später während des Kriegsrechts wieder hierher zurückzukehren. Damals fuhren alle Krakauer hier Ski, da man die Stadt nicht verlassen durfte.

Zum Hügel schließlich unternahm ich meine ersten Expeditionen, wie ich die langen Spaziergänge nannte, die in den damals verlassenen Ecken der alten Festungen endeten. Wenn ich zurückkehrte, ging ich immer zu Großmutters Grab und brachte Mitbringsel der vier Jahreszeiten: im Frühling und Sommer Feldblumen, im Herbst Blätter und Kastanien und in der kalten Jahreszeit Zweige des Weihnachtsbaums oder Tannenzapfen. Dieser Friedhof hat eine Stille, die man nirgendwo anders findet. Bei schönem Wetter kann man von hier aus die Tatra sehen.

Der Hügel wurde erstmals von Maria Pawlikowska Jasnorzewska*** in ihrem Gedicht über Krakau mit dem Berg Fuji in Verbindung gebracht…. Oder war es zu ihrer Zeit und ihrer Umgebung eine typische Assoziation?
Und Stach Wyspiański **** malte Ansichten des Hügels in so japanischem Stil, dass es nicht japanischer sein konnte. Also war auch für ihn der Hügel der Fuji.
Der Hügel ist zweifelsohne unser Berg Fuji, wie auch Leszek Cierpiałowski, Direktor des Büros des Kościuszko-Hügelkomitees, in seinem Text schreibt: „Er ist ein heiliger Berg, auf dem seit Jahren an den Nationalfeiertagen die rot-weiße Flagge gehisst wird“.

Internationale Dialoge: Bergsymbole und der Austausch von Kulturen

Hier hat Ihre Idee also ihren Ursprung. Erzählen Sie uns noch ein paar Worte zu diesem Teil des Projekts.

Bergdurchdringung ist ein vielschichtiges Projekt. Meine Bergbilder, ob gemalt, gezeichnet, oder skizziert leben unter meinen Augenlidern, in meinem Herzen, in mir und mit mir. Sie erscheinen überall, nicht nur im Atelier und in Galerien. Sie kehren oft in die Berge zurück und transzendieren auf diesem Wege. Sie werden in Gärten und öffentlichen Räumen aufgehängt, und jeder sieht in ihnen seine Berge. Auf Einladung von Professor Akiko Kasuya von der Kunstuniversität Kyoto und der Nishieda-Stiftung nahmen meine Berge vor zwei Jahren an zwei Bergausstellungen in Japan teil: in Kyoto und in Tatsuno. Eine Erinnerung an diese Ausstellungen ist die Einladung zu einer Einzelausstellung im Manggha Museum. An dieser Stelle ist nochmals anzumerken, dass das Konzept des Bergs in der japanischen Kultur ein völlig anderes ist als in unserer europäischen Kultur. Dort ist der Berg wie gesagt heilig, weshalb die Eröffnung meiner Ausstellung auf das japanische Bergfest – einen der japanischen Nationalfeiertage – gelegt wurde. So entstand die Idee, die Fahne des Gemäldes auf dem Kościuszko Hügel zu hissen.

Bergdurchdringung der Symbole ist nicht nur ein künstlerisches Projekt über Berge. Es ist vielmehr das Durchdringen von Orten, von Kulturen, ein internationaler Dialog, eine Verständigung ohne Grenzen, ein Gespräch ohne Worte, wo Bilder mehr bedeuten, wo jeder sie auf seine Weise liest und dabei lernt, was sie für andere bedeuten. Es ist das Gespräch über die Berge am Ende der Welt, die wir durch das Prisma unserer völlig unterschiedlichen Erfahrungen sehen, das uns trotz aller Verschiedenheit verbindet. Da Bilder in den Augen der Betrachter entstehen, sind sie eine internationale Sprache, mit der wir uns über Kulturen hinweg verständigen können. Sie sind ein Traum, eine Energie und ein Gefühl, das sich auf der Leinwand niedergelassen hat. Ich bin mir sicher, dass ich mit der Bearbeitung meines Berges, dem Kościuszko-Hügel in unseren Krakauer Kontext passe. Aber ist es nur das? Ganz und gar nicht! Ich möchte die Aufmerksamkeit auf das Thema Berge in unseren Kulturen lenken… in der europäischen und der japanischen. Ich möchte das Problem der Berge aufzeigen, der unberührten, der großen, der heiligen Berge, die unbezwungen bleiben. Aber auch diejenigen, die ständig von Touristenmassen zertrampelt und von einer räuberischen Wirtschaft zerstört werden.

Erinnern wir uns daran, dass es bei den Bergen auch um die Menschen geht, die mit ihnen verbunden sind. Um jahrelange Freundschaften… aber auch um die Sorge und die Verantwortung darüber, dass die Berge nicht nur für uns hier und jetzt da sind, sondern, dass sie für künftige Generationen intakt bleiben müssen. Deshalb spreche ich über Berge, zeige ich Berge und liebe Berge.

Zeitlose Begleiter: Die Berge als lebenslange Weggefährten

Und Ihre Berge? Ihr Projekt? Die Berge in der Natur und auf den Leinwänden?

BERGE
Ich kann mich nicht erinnern, wann sie zum ersten Mal aufgetaucht sind, aber ich kann mich auch nicht an einen Moment erinnern, in dem sie nicht da waren. Sie sind seit Ewigkeiten mit mir und in mir. Seit ich ein Kind war, geschah dort alles, was in meinem Leben wichtig war.
Eine Zeit… die unermessliche Zeit, die ich zwischen Tälern und Gipfeln verbrachte. Eine Zeit, die durch das Knirschen der Skier, das Rauschen der Lifte, die herrliche Stille oder das wilde Heulen des Windes geprägt ist. Die warmen Strahlen der Sonne und die Kälte, die nicht nur den Körper, sondern auch den Geist verführt.
Nirgendwo wurde mir kälter als dort.
Weiße Blütenblätter, die langsam im Wind wirbeln.
Weißes Weiß.
Verschneites Schneetreiben.
Für die kalte Farbpalette, von eisigem Weiß, frostigem Blau, über eine ganze Palette von Grautönen bis hin zum schwärzesten Schwarz – Verzweiflung. Hatte ich Angst vor ihnen – Nein, aber ich empfand immer Respekt vor ihnen. Sie wuchsen in mich hinein und wurden ein untrennbarer Teil meiner Persönlichkeit. Ich trage sie jetzt bedingungslos mit mir, manchmal unfreiwillig… sie gehen mit mir in meine Welt.
Obwohl sie mir so nahe sind, habe ich sie nie in meine Malerei aufgenommen. Ich habe sie als etwas Heiliges behandelt, als etwas, mit dem man nicht in einen Dialog treten darf, an dem man sich nicht messen kann. Ich habe sie in aller Ruhe betrachtet, habe mit ihnen gelebt, in ihnen gelebt, und sie leben von Tag zu Tag mehr in mir.

Der Bergdurchbruch

Und wann kam der Durchbruch? Welche Emotionen, welche besonderen Farbtöne und welche starken Gefühle haben Sie begleitet?

Gut, dass Sie danach fragen. Es war ein Tag der alles veränderte. Ein Teil von mir starb und die Welt zerfiel in das, was sie vorher und nachher war. Das Einzige, was sich nicht verändert hat, waren die Berge. In ihnen fand ich Kraft und Frieden. Ich kehre immer wieder zu ihnen zurück.
Ich sage oft, dass im Leben alles seine Zeit hat und dass es nicht immer dann kommt, wenn wir es wollen, und so war es auch mit meinen Bergbildern. Ich hatte nicht vor, sie zu malen. Ganz im Gegenteil, ich habe sie nicht gemalt, weil ich es nicht wollte.

Es waren die Emotionen und Ereignisse dieses Tages, die den Zeitpunkt herbeiführten, an dem ich über die Berge Rechenschaft ablegen musste. Damals, in der zweiten Jahreshälfte 2018, begannen sie aus mir herauszukommen… denn so bezeichne ich diese Bergbilder von mir. Diese Bilder sind nicht wirklich gemalt. Auf eine bizarre Art und Weise ziehe ich sie aus mir heraus, man könnte sagen, sie kommen fertig aus mir heraus, in vollständiger Ganzheit. Der kreative Prozess beschränkt sich darauf, was fertig ist, nach außen zu bringen. Sie kommen auf Papier und Leinwänden zum Vorschein, im Grunde nie einzeln, immer in Serien und Gruppen, die Diptychen und Triptychen bilden. Sie zeigen ihr fremdes aber auch mein Gesicht.

Meine Bergbilder sind die Geschichte meiner Berge, aus dem Herzen der Erinnerungen gezeichnet, verarbeitet durch das Prisma der Gefühle, wo Erzählungen und erlebte Geschichten in der Textur des Bildes zu finden sind. Dort weht der Wind auf den Blättern und die Strahlen der Frühlingssonne sind in den Bildern zu spüren. Das Schwarz hat die Tiefe der erlebten Momente und das Grau schimmert mit den Nuancen des schmutzigen Frühlingsschnees.

Bergdurchdringung: Die Vollständigkeit der Bilder, die aus dem Inneren kommen

Bitte erzählen Sie uns ein wenig über den kreativen Prozess selbst und die damit verbundenen Emotionen.

Jede Linie und jeder Fleck sind eine Emotion. Oft stehe ich ihnen gegenüber und sehe riesige Formate. Sie schießen Felsen in das Grau des Himmels oder die Schwärze der dunkelsten, schwärzesten Nacht. Stark stehen sie auf den felsigen Spalten, die ihnen zu Füßen liegen… mit scharfen Strichen verschmiert, werden die Linien, wie in dreidimensionaler Materie gemeißelt, zu Bildern in den Augen der Betrachter. Manchmal dringen sie durch den weißen Nebel der Erinnerungen, durch das Verschwimmen der Zeit, verschüttet, undeutlich, ungesagt. Sie sind da, als wären sie nicht da … man muss sie mit dem Herzen sehen.
Zu anderen Zeiten stehen sie klar und deutlich vor einem, als ob man sie beinahe unter den Augenlidern sehen könnte. Sie verfestigen sich zu dichter Materie und Felsen und bilden ein Chaos aus Trümmern und Abgründen. Sie wecken Ängste…, dutzende von Fragen, schwarze Gedanken, schlaflose Nächte, stumme Bitten, Stunden, die man in leeren Korridoren verbringt, um auf eine Antwort einer Frage zu warten, die damals niemand beantworten konnte… All diese Emotionen, die in dicke Farbschichten gezaubert wurden, ergießen sich über die Leinwände und schaffen Bilder… Geschichten, ohne Worte… jeder liest sie anders und sieht sie anders…

Universelle Lesbarkeit: Jeder betrachtet die Bilder durch seine eigene Erfahrung

Was genau sind Ihre Werke? War der, mit ihnen gefüllte Raum im Museum, buchstäblich umwerfend?

Es sind keine Landschaften. Kein Bild stellt einen bestimmten Berg dar. Es sind Emotionen, die auf Papier und Leinwand gegossen werden, eine Farbe, die ein Gefühl, eine Geschichte, eine Erzählung ist. Jeder kann in ihnen seine eigenen Berge sehen. Die Berge, an die er sich erinnert, die er auf Fotos oder in der Realität gesehen hat. Jeder liest sie durch das Prisma seiner eigenen Gefühle und Erinnerungen.
Meine Bilder sind universell. Sie sprechen die Sprache des Universums und zu jedem auf eine andere, individuelle Art und Weise. Sie sind zeitlos und gebietsübergreifend, aber dennoch, vor allem, ganz und gar MEINE eigenen.
Eindringen, werden, durchdringen, in die Tiefe gehen, so ist es, so ist es geschehen und so geschieht es weiterhin… Tag für Tag, Minute für Minute….

Materie, Farbe, Linie, Leinwand, Papier, Zeit…
Die Zeit, die in unseren Erinnerungen bewahrt bleibt, wird in den Bildern verkörpert. Die Durchdringung von Raum und Dimensionen, das Werden, ist ein echter Aufwärtsprozess… ein Gespräch ohne Worte, ein sehr spezifischer innerer Monolog, der nach außen fließt und sich in den Bildern niederschlägt. Die Linie, die eine Geschichte ist, formt, erschafft, lockt, verwundet… sie verwundet mich und die entstehenden Felsen. Sie durchbricht die vergessenen Gefilde der Erinnerung, so dass sie sich an den überraschendsten Stellen des Bildes mit einem kräftigen Strich des Bleistifts oder einer scheinbar nur zarten Kreide offenbart. Scheinbar zufällige Bewegungen durchdringen die dicken Schichten der fließenden Farbe, um längst vergessene Worte zu finden.

Farbe … ganze Schwaden von Grautönen, kalten Stahltönen, die in tiefes Schwarz übergehen. Blautöne, sanfte und unschuldige Kobalttöne, die in den Schatten der Felsen baden. Die Rottöne des brennenden Himmels und die rot-schwarzen Felsen im Kreislauf … bei Sonnenuntergang brennen die Berge…. und schließlich reine Schwärze, wo nur die Textur von der Anwesenheit hoch aufragender Felsriesen vor dem schwärzesten Himmel spricht. Nur wer schon einmal eine Nacht in den Bergen verbracht hat, weiß, was Schwärze sein kann. Denn echte Berge sehen selten so aus wie auf einem Urlaubsfoto. Sie leben ihr eigenes Leben, sind unberechenbar und ungezähmt. Ihre Monumentalität, selbst bei blauem Himmel, flößt Angst und Respekt ein. Weil Berge einfach SIND.
Materie, Farbe,
Linien, Leinwand, Papier, Zeit…

Bergdurchdringung: Zwischen Bergliebe und künstlerischer Ekstase

Frau Beata, was Sie sagen, ist die Heiligsprechung der Liebe für BERGE und für die Kunst.
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Frau Katarzyna Nowak, der Direktorin des Manggha-Museums, abschließen:
„Es gibt einen japanischen Ausdruck, der sich auf das Vorhandensein gebirgiger Landschaftsformen in unserer Umgebung und gleichzeitig auf das Gefühl bezieht, von eben dieser Form der Natur ‚umsorgt‘ zu werden. Es ist eine eigensinnige Aussage, denn Berge – sei es der majestätische Fuji oder der doppelkronige Tsukuba, die Alpen oder die Dolomiten, das Hochgebirge Rysy oder der charakteristische Giewont – rufen in uns viele extreme Gefühle und Emotionen hervor: Bewunderung, Angst, Schrecken, Faszination, Bedrohung, Furcht, Angst, Bewunderung, Verzauberung, Respekt und Liebe.
Ich habe das Gefühl, dass Beata Zuba und ihre Malerei definitiv in den Schoß der Berge gekuschelt sind.“
Damit möchte ich schließen, ich könnte Ihre Arbeit nicht besser beschreiben.
Vielen lieben Dank und wir sehen uns im Manggha oder in den Bergen.

Ich danke Ihnen auch für das Interview.
Meine Bergausstellung ist bereits zu Ende, aber ich lade Sie und Ihre Freunde und Kunden immer nach Krakau ein, wo Sie meine Bilder in meinem Atelier besuchen können.
Jetzt werde ich eine Pause einlegen, etwas Abstand gewinnen, die Welt durch das Prisma weiterer Erfahrungen und Gespräche betrachten. Vielleicht kehre ich zu einer Serie zurück, an der ich seit 2011 mit Unterbrechungen gearbeitet habe. Es ist eine Serie über die T4-Aktion des Zweiten Weltkriegs*****.  Ein schwieriges Thema, zu dem man nur schwer zurückkehren kann. Aber auch eines, das wir auf keinen Fall vergessen dürfen. Es ist sicher auch ein Thema für ein weiteres langes Gespräch und weitere Ausstellungen. Vielleicht sogar in Nürnberg. Ich würde mir sehr wünschen, meine Bilder gerade in dieser außergewöhnlichen Stadt zeigen zu können und ich glaube, das wird auch geschehen.


*Deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkriegs: 1939 – 1945

** Salwator: Salwator – Ein villenartiges Viertel aus dem frühen 20. Jahrhundert, westlich des Krakauer Zentrums in der ehemaligen Zwierzyniec-Gemeinde. Heute Teil des Bezirks VII Zwierzyniec, umfasst Salwator die Straßen Świętej Bronisławy, Anczyca und Gontyna. Die Endhaltestelle der Straßenbahn, Salwator, befindet sich am Fuße des Hügels, wo Rudawa in die Weichsel mündet.

*** Maria Pawlikowska Jasnorzewska: Polnische Lyrikerin (1891-1945)

**** Stanisław Mateusz Ignacy Wyspiański: Polnischer Künstler und Vertreter der Kunstbewegung Junges Polen

***** Die „T4-Aktion“ war eine nationalsozialistische Euthanasie-Initiative während des Zweiten Weltkriegs, die von 1939 bis 1941 durchgeführt wurde und ca. 70.000 Menschen das Leben kostete. Ihr Ziel war die systematische Ermordung von Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen.

 

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